Mittwoch, 22. Juli 2015

Knallebunt geht vieles leichter

Liebe Schnitzelfreunde,
dieser Sommer ist ein turbulenter, und die Zeit, die Zeit, wie sie rennt, es ist kaum zu fassen. Dachte ich eben noch, der letzte Post sei sicher erst ein paar Tage her, sehe ich gerade, dass es doch ein paaaaar Tage mehr sind. Aber gut, dann ist das so. 


Zu Hause wird gekämpft - gegen den Schimmel, den Vermieter und die heiße Luft, die der laut dröhnende Anti-Wasserschaden-Kompressor in die Küche pustet. Eine Sauna, hat auch nicht jeder! Und weil man bei sowas nur verrückt werden kann, dachte ich mir, kann ich auch gleich komplett offensichtlich werden und mich mal auf eines dieser Holi Hail Festivals begeben, um wild tanzend mit farbigem Pulver um mich zu werfen. 

Und alles wieder in Relation zu setzen. Denn irgendwie ist das doch ein bisschen irre, eine Eintrittskarte zu kaufen und sich dann zielgerichtet eigentlich nur komplett einzusauen.


Ich schwöre, dass ich mir vorgenommen hatte, wenigstens ein klitzekleines bisschen Recherche zu betreiben. Mich über den Hintergrund des Festivals zu informieren. Ansatzweise zu verstehen, was das alles soll... Na ja, ihr ahnt es schon, ne? Satz mit X. War nix. Deshalb kam ich mir auch etwas bekloppt vor. Zwischen all diesen fremden Leuten. Als Einzige barfuß. Hippie shit. Als eine der Wenigen nicht in Weiß gekleidet. Ah, so macht man das also. Hopsend, hüpfend, lachend. Schon wieder keine Ahnung, was hier los ist. Ständig zu spät zum Holi Spray und immer wieder den Farbbeutel kaum aufbekommen oder gleich alles auf dem Boden verteilt. Aber wisster: Manchmal ist es eben total okay, irgendetwas einfach so zu tun. Ohne Plan, ohne tieferen Sinn, ohne Eleganz und mit enorm viel Spässkes an der Sache. Und sich hinterher an eingesauten Klamotten, verschmierten Gesichtern, zugestaubten Sonnenbrillen, krustig braunen Füßen zu erfreuen.




Ein paar Inder rannten dort herum. Breites Lächeln, keine Berührungsängste, das mag ich ja. Nicht mal Hallo sagen, nein, sondern gleich mit vollen Händen dieses fremde Gesicht einseifen, das gar nicht daran denkt, sich zu wehren. Die müssen es ja wissen, dachte ich mir, und schloss einfach lächelnd die Augen. Macht ihr mal. Orange auf dem Kopf, Grün, Gelb, Blau, Violett im Gesicht.

Nach ein paar Stunden war's gut. Die Waden schmerzten vom Gehopse, wir sahen aus wie hulle und wollten Eis! Eigentlich das von Ben & Jerry's auf deren Movie Night. Die Schlange vorm Tor entsetzte uns allerdings, also... Tja. Supermarkt? Nee, nicht stilecht. 


Einmal durch die ganze Stadt, bis ins etwas schickere Viertel, zur tollsten Eisdiele. Natürlich hatte ich bis dahin schon wieder vergessen, wie wir aussahen. Vielleicht ganz gut so. Bis dann der Eisverkäufer hinter der Theke auf uns starrte und mit einem "Pistazie, bitte!" geweckt werden musste. Huch, ach so, natürlich, Verzeihung. 


Bisschen rumbummeln, ne tolle Wand finden, letzte-Gelegenheit-Bilder knipsen, erst du, dann ich, dann Selbstauslöser, Franzose verliert den halben Kopf, ein wenig schäkern mit dem tätowierten Menschen samt Hund, der seine Begeisterung über unser Verschmiertsein ausdrückt, aus Versehen kleine Kinder erschrecken, ein wirklich großartiger Tag. Weit weg von allem. Gerne wieder. Wirklich, sehr gerne, immer, immer wieder!

Was gelernt?
Wenn man merkt, dass Einsauen mit Farbpulver eine Lösung darstellt,
einfach ein paar Beutelchen mit nach Hause nehmen. 
Für weitere Wasserschäden. Oder so. 

Donnerstag, 9. Juli 2015

Perspektivenwechsel.




 Ihre.


Seine.


Was gelernt?
Anderer Blickwinkel, anderes Bild. 
Und: Anderer Blickwinkel, plötzlich Quadratlatschen.  

Sonntag, 5. Juli 2015

Sparschäler are good for you.
Oder: Salata!

Liebe Schnitzelfreunde,
meine kleine Reise nach Istanbul ist mittlerweile so lange her, dass ich ab und an befürchte, nicht mehr vernünftig davon berichten zu können, denn Erinnerungen verblassen, das haben sie manchmal so an sich. Auch deshalb habe ich meine Kamera so liebgewonnen. Sie hilft mir dabei, dem Schicksal aller Goldfische ein Schnippchen zu schlagen. Knipsen gegen das Vergessen. 

Ihr erinnert euch vielleicht an die bekloppte Fährfahrt in Richtung Prinzeninsel, von der ich euch berichtet habe. Obwohl, von dem wirklich bekloppten Ereignis während der Fährfahrt hatte ich kein Sterbenswörtchen geschrieben. Kann man ja kurz nachholen. Bereit?

Wir versetzen uns zurück in die Situation: Fähre, endloses Blau, plötzliches enormes Aufkommen von Möwen, begeisterte Menschen, alle wahnsinnig abgelenkt. Alle, aber auch wirklich alle starren vom Boot weg, in Richtung Meer und fliegende Cräcker. Auf einmal BRÜLLT es hinter uns. Natürlich versteht kein Mensch, was los ist oder was gerade gesagt wurde. War das Türkisch? Kann hier irgendjemand Türkisch? Ich jedenfalls schonmal nicht. Aber als normaler Mensch reagiert man ja einfach mal, wenn man ungewohnten Lärm wahrnimmt. Erster cleverer Schachzug. Ich senke die Kamera, hebe eine Augenbraue, drehe mich um, und dann hebe ich die zweite Augenbraue, denn dort steht ein Mann mitten auf der Fähre und reckt eine Kartoffel in die Höhe. Eine. Kartoffel. Er trägt ein graues Sacko und sieht sehr fröhlich aus. "Salata!" ruft er. Aha, Salat, okay, das können wir durchgehen lassen. Sein zweiter Arm schnellt in die Höhe. Er hat seine Waffe gewählt: einen Sparschäler. Silbern, schnittig, formschön. Eine Art Tupperparty, denke ich, und irgendwie finde ich es völlig okay, ja sogar beruhigend, da jetzt nicht wegrennen zu können. Kaufen muss ich schließlich auch nichts. Lasset die Spiele beginnen.


Begeistert geht der Mann ans Werk und schält seine Kartoffel. Na gut, die halbe Kartoffel. Und zwar fächerförmig in ein Akkordeon. Für eine Weile vergesse ich die Möwen und überlege, warum ich meine Kartoffeln zu Hause immer nur hilflos im Kreis schäle, wenn sie doch auch SO aussehen könnten. Die Akkordeonkartoffel klappt nach unten aus und ist wunderschön. Der fremde Mann strahlt, sein Blick sucht nach Anerkennung im Publikum. Ich will mal nicht so sein und juble. Die Veranstaltung nimmt Fahrt auf. Die Fähre nicht. Dieser Mann hat alle Zeit der Welt, uns von seinen Sparschälern zu überzeugen, warum wirkt er so gehetzt? In Windeseile schält er noch eine Karotte! Und eine Tomate! Eine Schlangengurke! Jedes einzelne kleine Gemüsewunder der Natur wird triumphierend in die Luft gereckt und erst geschält, wenn genügend Applaus und Gegröhle geerntet wurden. Ein zweiter cleverer Schachzug. In kürzester Zeit einen völlig irren Hype zu erzeugen. 

Ich strahle übers ganze Gesicht, weil diese Situation so absurd ist. Mit zig fremden Menschen auf einer Fähre irgendwo vor Istanbul juble ich einem fremden Mann zu, der einfach nur Gemüse schält. Warum nicht. Die Masse kocht. Unser Sparschälguru greift in seine Zauberkiste und... holt eine dicke, kugelrunde Wassermelone hervor. Die stemmt er in gewohnter Manier triumphierend in die Höhe.

Moment. Eine Wassermelone? Der hat sie doch nicht alle. Und die will er jetzt schälen? Mit seinem pisseligen Sparschäler oder was? Eine Wassermelone!

Die Leute springen von ihren Sitzen auf. Ich blicke irritiert von links nach rechts und wieder zurück. Habe ich irgendwie den Schlüsselmoment verpasst? Drehen jetzt alle komplett am Rad? Und wo sind die Kameras? Ist uns so langweilig auf dieser Fähre, dass wir sogar Obst und Gemüse als Highlight empfinden? Wo verdammt sind denn die Kameras? Und was ist mit den Möwen? Haben denn alle die Möwen vergessen? Warum sind silberne Sparschäler cooler? Was'n hier los?

Egal, mitmachen! 

Und dann schält er ernsthaft diese riesengroße Wassermelone mit seinem blitzeblanken Supersparschäler. Ich habe eine Wassermelone rasiert. Unter to-sen-dem Applaus. "Salataaa!!" brüllt er immer wieder für den letzten, der es immer noch nicht kapiert hat. Wir lachen, wir klatschen, wir machen Fotos. Und als der Messias am Ende seiner Darbietung durch die Reihen läuft, um seine wunderbaren Oberhammersparschäler mit vollen Händen ans gemeine Volk zu verteilen - endlich! Mein Gott, was haben wir darauf gewartet! - gibt es tatsächlich Menschen, die gleich unfassbare vier Stück auf einmal kaufen und so aussehen, als wäre dies hier der allerallerschönste Tag ihres Lebens. 


Meine Wangen glühen, das Haar ist komplett zerzaust, und leider habe ich vor lauter Begeisterung vergessen, mehr Fotos zu schießen. Oder vielleicht auch einfach mal nur gute Fotos. Aber genau so muss das sein. Die Leute um mich herum schlagen ihre Sparschäler frenetisch gegeneinander und versuchen, sich gegenseitig die Köpfe zu rasieren. Kurz überlege ich, diese Fähre nie wieder zu verlassen. 


Meine Begeisterung geht so weit, dass ich Franzose eine SMS nach Hause schicke, in der steht, dass ich total gut drauf bin, Urlaub alleine unglaublich toll finde und fast einen bis fünf Sparschäler auf einer Fähre gekauft hätte. Franzose fragt, ob er sich Sorgen machen müsse, ob Istanbul denn echt nichts besseres als Sparschäler zu bieten habe und ob denn sonst alles okay sei. Natürlich ist alles okay! Mehr als okay.

Versteht er denn gar nichts? Herrgottnochmal. Kopfschüttelnd wende ich mich wieder dem Wahnsinn zu und werfe kurz darauf gedankenverloren ein paar Cräcker und am besten auch gleich meinen Verstand mit über Bord. Warum fahren Menschen nicht viel, viel öfter mit Fähren durch die Gegend? Besser geht es doch kaum.

Was gelernt?
Also, so'n Sparschäler, der kann schon
auch irgendwie sexy sein, wa?