Mittwoch, 28. Januar 2015

Neujahr in Liverpool.
Oder: Wird alles WHOOSH!

Liiiiebe Schnitzelfreunde,
solange der Januar uns noch hold ist, dürfen wir auch über unseren Neujahrsurlaub berichten. Gerade beschlossen. Stempel drauf. (Keine Fragen stellen oder ständig zweifeln oder sich wundern, sondern einfach Fakten schaffen!) Wie vorher schonmal angedeutet, hatte es mich zu meiner Freundin und ihrer Familie ins schicke Liverpool verschlagen, während Franzose da feierte, wo es vor Franzosen nur so wimmelt. So grob südwestlich. Da wo's schön is.



Was war das mal wieder für eine gute Woche! Richtig viele Details mag ich gar nicht geben, vor allem, weil so viele andere Menschen mit drinstecken und ich noch herausfinden muss, wo genau die Grenze verläuft. Die, die an ein "Zu Viel" in der unbekümmerten Berichterstattung heranreicht. Schließlich möchte ich keine Persönlichkeitsrechte verletzen. Da bin ich dann lieber etwas zu vorsichtig als etwas zu forsch. Aber da ich lieb gefragt und wunderbarerweise das Okay für die Veröffentlichung der Bilder bekommen habe, werfe ich sie doch mal großzügig ins Netz und freue mich, dass der Neujahrsspaß noch ein bisschen nachhallt.

Meine Freundin hatte beschlossen - und jeder weiß, dass es GENAU SO funktioniert - dass 2015 einfach uneingeschränkt affengeil werden wird, weil isso. Es wird das "Year of WHOOSH!" Könnt ihr mal sehen. Das fand ich natürlich erstens vollkommen logisch und demnach zweitens auch mehr als nur in Ansätzen nachahmenswert. Ich lade alle, die Lust haben, dazu ein, einfach mitzuWHOOSH!en (huch, das sieht ja schrecklich interessant aus), denn: Super beginnt im Kopf! Und wenn man's erst einmal reinbekommen hat, dann bleibt es zum Glück auch ne ganze Weile dort drin und tanzt naggisch auf'm Tisch.


Von Silvester bekam ich gar nicht so viel mit. Denn Silvester war am Ankunftstag. Die ganze Reiserei hatte mich geschlaucht, und Dank der Zeitumstellung fand die Chose ja nun auch erst um 1 Uhr morgens statt. Müde! (Das sind diese Weicheier Ü30, die können das alles nicht mehr so gut ab.) Wirklich schlimm war das dann aber nicht. Und obwohl wir dachten, so ein großes Feuerwerk wäre dringend notwendig, um dieses erhebende "Boah, JETZT fängt echt was Neues an"-Gefühl zu wecken, funktionierte das auch ohne viel Gerummse und Geböller ziemlich einwandfrei.

Und ganz nebenbei: Wenn morgens um 7 zwei Kinder fröhlich quietschend durchs Haus hüpfen und einem eine Katze unangekündigt aus der Dunkelheit ins Gesicht springt, weil sie dringend an dieser neuen Nase schnüffeln muss, dann ist man doch echt froh, nicht bis 4 Uhr morgens mit dem Sektglas in der Hand säckeweise Knallerbsen um sich geworfen zu haben.

Standard-Gesichtsausdruck aus dieser Fraktion
"Mach'sn DU hier?"
Richtig, richtig gut fand ich ihn dann, diesen ersten Tag des Jahres. Einfach, weil es nicht so oft vorkommt, dass ich ihn so schick halbe-halbe verbringe: die erste Hälfte dünenstürmend am Strand, die zweite Hälfte vollkommen friedfertig als gefährlicher Tiger nebst meinen neuen Freunden, dem Clown und dem... ja, was war das eigentlich da? Von Weitem sah der Kleine aus wie nach einem bösen Verkehrsunfall. Alles rot. Gut. Vielleicht ein Superheld? Clown, Superheld und Tiger also. Mit Schnurrbarthaaren. Ein Hoch auf Gesichtsmalfarben!


Aus Gründen, die mir mittlerweile schleierhaft und auch ein bisschen egal sind, gab es jeden Abend schlimme Getränke. An Silvester "Unicorn wee" für die Kinder, "Polnische Rakete" für die Erwachsenen. Bitte fragt mich nicht, was da drin war... Es war sehr grün, sehr rot und am Ende musste anscheinend unbedingt Tabasco hineingeträufelt werden. Brrr. Wir hopsten zu Folklore-Beats durch die Küche, verkleideten die sehr geduldige Katze als Tiger, sangen auf dem Weg zum Strand und auch nach Wales laut und sicher wunderbar schief im Auto mit, klauten in eben diesem Wales auf einer regennassen Wiese beinahe ein Schaf, standen in lebensgroßen Monsterseifenblasen und begleiteten den kleinen Mann auf dem Weg zum allerersten Tag im Kindergarten.

Von mir aus hätte das alles nicht so schnell wieder zu Ende gehen müssen. Ein gewichtiger Grund hierfür: In dieser Familie gehört man nach nur zwei Tagen zum Inventar und ist damit sehr glücklich. Dafür bin ich unendlich dankbar. Es fühlt sich eben wie zu Hause an. Das hat man nicht mit jedem, diese tolle unaufgeregte Selbstverständlichkeit. Und die Gewissheit, plemplem sein zu können und sich unter Gleichgesinnten zu bewegen, die das alles total normal finden. Na gut, bis auf das angemalte Gesicht vielleicht. ("Euh...what happened to your face?" - "I'm a tiger!" - Konsternierter Gesichtsausdruck.)



Und wenn einem dann noch am Tag der Abreise geschrieben wird, dass das eine Kind vom Kindergartentag zurückkehrt und nur fragt: "Where is Mareike? She used to live with us," ja, dann weiß man, dass die Woche anscheinend auch für die kleinen Menschen ganz gut war. Und man als Mitbewohner vermisst wird.

Auch wenn wir das mit dem Schaf vermasselt haben und hinterher nur ein Bild von unseren Stiefeln knipsen konnten, wie sie sich um ein paar Schafköttelchen scharten. Mieser Ersatz.


...Ich reise so schrecklich gerne. Und immer, immer wieder merke ich, wie gut es tut. Weil man gestärkt in den Alltag zurückkehrt und einem niemand mehr die neuen Erinnerungen nehmen kann. Und weil es gerade richtig schick passt - mein Post lag wohl nicht umsonst drei Wochen auf Halde - und ihr Text so wundervoll ehrlich ist, schubse ich euch noch kurz rüber zu Fee, die auch verknallt ist. In die große weite Welt. So viel Liebe!

Und jetzt ab ins Bett mit euch! Computer aus, Schlafanzug an, Zähne putzen, hop, hop, hop... Nein, es gibt keine zweite Gutenachtgeschichte. Hinlegen, zudecken, Licht aus. Gute Nacht! Uff. 

Polnische Rakete, anyone?


Was gelernt?
Chaos, Leben und Weltgeschichte, ich liebe euch!
Und: Ich bin ein Jahr noch nie so optimistisch angegangen wie dieses hier. So viele Pläne! Geht's euch genauso?!


Donnerstag, 22. Januar 2015

Finding Vivian Maier.
Dokumentationsliebe.

Liebe Schnitzelfreunde,
letztens war mal wieder Kino. Großes Kino. Richtig groß sogar. Kennt ihr das: ihr geht in einen Film, weil ihr denkt, der könnte vielleicht ganz okay sein und, ach ja, Kino ist halt ab und zu einfach eine schöne Sache, warum denn nicht. Mal eine Abwechslung zum Heimkinoabend mit Netflix, Couch und Vollkornstulle. Und dann! Dann haut euch der Film, der da vorne über die Leinwand flackert echt ein bisschen vom Hocker?! Vor Begeisterung. Und er zeigt euch, dass er definitiv mehr ist als nur "ganz okay"? Und ihr lacht mittendrin laut auf, und ihr freut euch, weil es die Leute in der Reihe vor und hinter euch auch tun? Und ihr wollt noch mehr sehen und vor allem wollt ihr nicht, dass dieser Film irgendwann dann einfach auch mal ein Ende findet. So ging es mir mit dieser schicken Dokumentation. Denn Dokus sind anscheinend wirklich meine große Liebe.




"Finding Vivian Maier"

Die Geschichte um John Maloofs zufällige Ersteigerung einer Kiste mit Fotonegativen entwickelte sich schnell zum modernen Märchen vom Schatzfund. Viel wesentlicher ist jedoch, dass die unbekannte Vivian Meyer fotografierende Flaneurin war, die im Chicago der 1950er-Jahre begann, Alltagsmomente zu porträtieren, ihre Aufnahmen aber nie veröffentlichte. Mal sind es Menschen und Situationen, die sie mit ihrer Mittelformatkamera Rolleiflex einfängt, ein andermal sind es Begegnungen, die erst durch den Blick Mayers und die fotografische Aufnahme zu solchen werden. Das Werk lässt auf eine feinfühlige und zurückhaltende Chronistin schließen, die die amerikanischen Lebenswelten über vier Jahrzehnte festhielt.


Das ist der Text aus dem Programmheftchen der 'Pupille' - dem Unikino, in dem wir auf kippeligen Stühlen (aber mit super Sitzkissen!) saßen und zum Preis von nur 2,50€ Zeugen der Suche nach Frau Maier wurden. Ich finde, der Text wird der Doku nicht so wirklich gerecht, weil sie noch hundertmal toller ist als hier suggeriert wird, aber was willste machen. Ist denn noch jemandem aufgefallen, dass Vivians Nachnahme hier jedes verdammte Mal anders geschrieben wurde? 


Ich kann schon verraten, dass das mit Absicht geschehen ist und definitiv kein Versehen darstellt. Vivian Maier hatte gelinde gesagt leicht einen an der Waffel. Und so stellte sie sich fast jedem Menschen anders vor, erfand immer wieder neue Spleens und Regeln. Hieß mal Viv, mal Miss Meyers, mal Vivian oder auch Mrs. V. Smith. Die Menschen sollten ihr nicht zu nahe kommen. 


Gleichzeitig, und das werdet ihr den Bildern eventuell auch entnehmen können, versuchte sie selbst aber sehr wohl, den Menschen so nahe zu kommen wie es nur ging. Zwar immer mit der Kamera vor dem Bauch - als kleine Sicherheitsbarriere - aber die meisten ihrer Bilder sprechen von einer derartigen Intimität und Liebe zu den Menschen aller sozialen Schichten und Couleur, dass ich echt ein bisschen gerührt bin und sehr gut verstehen kann, wie dieser regelrechte Hype um das fotografierende Kindermädchen (!) entstanden ist, das scheinbar all diese fast schmerzhaft genialen Bilder nur schoss, um sie dann in Kisten zu horten, wegzupacken oder erst gar nicht entwickeln zu lassen... 

Ein kleiner Trick, um zu erkennen, wie gut die Bilder sind: Kamera schnappen, auf die Straße gehen und versuchen, ähnliche Bilder zu schießen. Die meisten von euch werden merken: Das ist wahnsinnig schwierig. Wie kommt man so nah an fremde Menschen heran und lichtet sie so ungestellt und natürlich ab? Was für eine Gabe! Ich geh am Stock.



Ihr merkt schon, ich bin immer noch etwas baff. Guckt euch den Film an, wenn ihr die Möglichkeit dazu habt. Den Trailer findet ihr hier. Und erschreckt nicht - Frau Maier hatte auch dunkle Seiten.


Was gelernt?
Jeder Mensch hat ein Geheimnis. 
Manche davon sind verdammt großartig.
Und: Man sollte mal wieder auf eine Auktion gehen, um sich überraschen zu lassen...


(Bilder von www.vivianmaier.com)

Donnerstag, 15. Januar 2015

Neuer Schnitzelheader.
Ein vorsichtiges Herantasten.

Liebe Schnitzelfreunde,
das, was ihr da oben bei jedem Klick auf meinen Blog sehen könnt, müsst, oder bisher sehen musstet... Mal ganz ehrlich: das ist die Bezeichnung "Header" doch kaum wert. Es handelt sich doch viel eher um eine Zumutung! Aber es war das Beste und so spontan wohl auch Einzige, was mir am 1.10.2014 mithilfe von paint.net gelingen wollte, denn dieser Blog sollte unbedingt am 1.Oktober an den Start gehen. Dem ersten Tag meines neuen Lebens, wenn wir dramatisch sein wollen. Schon eine Woche später zog ich selbst die Augenbrauen hoch, wenn ich die "Vorschau"-Taste drückte, um einen Beitrag zu begutachten. Und mich dieser erbärmliche kleine quer überschriebene Kringel anlächelte. Oh weeeh. Oh jeh. Oh Gott. Na ja. Aber eine Mutter liebt ihr Kind. Das hat die Natur so eingerich.... Na gut, lassen wir's halt einfach. Schön ist wirklich was anderes.

Wochenlang habe ich mit mir gerungen, wollte eine riesige Veränderung, einen überzeugenden Überschall-Granaten-Header und beließ doch alles beim Alten. Denn ganz ehrlich, an meinen paint.net- oder gar Design-Fähigkeiten hat sich kein bisschen geändert. Man kann sich ja auch nicht um alles gleichzeitig kümmern. Man kann aber jeden Tag einen kleinen Schritt nach vorn machen. 

Und was überhaupt erstmal passieren muss, damit man loslegt: eine Vision! An dieser Stelle schießen Funken, sphärische Klänge und Walgesänge über diesen Blog. Obwohl, Walgesänge und schießen... Ihr wisst schon. Veränderung herbeisehnen - gut und schön. Wirklich. Denn Veränderung ist gleichbedeutend mit Fortschritt. Aber auch wenn ich ein großer Fan von "erstmal machen, dann seh'n wir weiter" bin, kann man laut diverser Studien (von denen ich mittlerweile echt zu viele lese) seinen Lesern nicht alle paar Wochen ein neues Design vor die Nase setzen. 

Ich geh kurz raus. Das Wort 'Design' in Zusammenhang mit meinem naiven Gestümper zu sehen, macht mich positiv fertig. Hihihi.

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So, geht wieder.

Heute lege ich euch also mal meinen zweiten paint.net-Versuch zu Füßen. Den können wir dann gemeinsam beschnuppern und gerne auch begrüßen, denn mein Gefühl ist ziemlich gut. Er ist wieder relativ einfach gehalten, denn echtes Killerdesign mit fancy Killefitt drumherum und zu viel von allem würde meiner Meinung nach überhaupt nicht zu mir und dieser kleinen Internetseite hier passen. Und hinbekommen würde ich es auch nicht. Noch packe ich ihn aber nicht oben an die vorgesehene Stelle. Immer ruhig mit den jungen Pferden. Das hier ist wie die Eingewöhnungsphase im Kindergarten. Ein sanftes und behutsames Aneinandergewöhnen. Hallo, Kleiner.


Mir gefällt die feinere Linienführung, mir gefällt, dass ich jeden Strich einzeln per Hand gesetzt habe und mir gefällt der fröhliche Klecks Senf- oder Sonnengelb, der bestens zum "hello" passt. Und überhaupt - Natur und Draußen in Form von windschiefen Tannebäumsche und dem schneebedeckten Gipfelzwilling. Das habe ich jetzt auch jeden Tag hier vor der Nase. Was sagt ihr?

Was gelernt?
Sie werden so schnell groß...
Taschentuch!

Freitag, 9. Januar 2015

Orhan, seines Zeichens Teppichdealer.

Liebe Schnitzelfreunde,
das Wohnzimmer war bisher das erklärte Problemkind der gesamten Wohnung. Das kennt ihr sicher. Man tüdelt sich die eigenen vier Wände irgendwie zurecht, hat sogar mal Möbel, die nicht mehr wackeln, eventuell sogar zuammenpassen, alles könnte so herrlich sein. Und dann, dann gibt es dieses eine Zimmer, das euch die Tour zu versauen versucht. Es steht so da und tut eigentlich gar nichts. Aber, verdammt nochmal, es nervt euch! Oft sind das die Zimmer, auf die man nicht so recht vorbereitet war. Huch, ein Wohnzimmer?! Wie geht denn SOwas? Was macht man denn DAmit? Und dann schubst man die Möbelstücke hinein, die einfach übrig waren. Heimatloses Gehölz ohne streng definierte Aufgabe. Das Zimmer ist gefüllt, es tut auch tapfer so, als gehe es zumindest halbwegs in seiner Rolle auf, doch ihr, ihr lasst euch nicht täuschen. Ihr seid clever. Ihr wisst, dass dieses hinterlistige Ding namens Wohnzimmer versucht, ungeschoren davonzukommen. Mit diesem halb garen, unausgereiften Konzept. Aber so nicht, nein, nein, nichts da! 

Ich liebe dramatische Posteinstiege. Merkt man das? Dabei möchte ich euch einfach nur erzählen, dass im Wohnzimmer seit drei Wochen ein neuer alter Teppich liegt, Dank dem ein wenig mehr Gemütlichkeit eingezogen ist. Das ist an sich nichts, was irgendwen die Bohne interessieren müsste. Ist okay. Ein Teppich halt. Nicht sehr aufregend. Vollkommen verständlich. Ich erzähl euch trotzdem mal, wie der Teppich den Weg vor unsere Couch gefunden hat. Weil das nämlich sehr viel interessanter ist.


Protagonist in der Teppichgeschichte ist Orhan. Darum steht er auch im Titel. Ohne Orhan wäre das alles nicht passiert. Nein, ohne Orhan wäre hier GAR NICHTS passiert. Vorhang auf. Franzose und ich schlendern also samstags über den Flohmarkt. Wie so oft auf der Suche nach überhaupt nichts. Das ist selten eine gute Idee. Das bedeutet nämlich, wir sind offen für alles. Und auch für groben Unfug. Ihr seht gerade die Titanic sinken, bevor sie aus dem Hafen gelaufen ist, es tut mir leid. Jedenfalls stehen wir kurz vor Schluss vor einem sehr großen Teppich und staunen ihn an. Nur ein bisschen, denn perfekt ist er nicht. Wir staunen einen Augenblick zu lang, denn auf einmal steht Orhan neben uns, der uns ein Ohr abkaut, in gebrochenem Deutsch, dafür aber umso eifriger und geschäftstüchtiger. Franzose setzt seinen "Es-ist-sicher-Deutsch-aber-ich-versteh-kein-Wort"-Blick auf, den Orhan in seinem Eifer natürlich als geschickt getarnte Käuferstrategie interpretiert. Ich bin belustigt und spiele mit. Der Anfang vom Ende.

Ich zerre Franzose vom Flohmarkt. Sein Handy beherbergt zu unser aller Überraschung Orhans Nummer. Wir sollen ihn anrufen und morgen früh (Sonntag!) Teppiche anschauen, die genauso groß, aber viiieeel schöner sind als der, der grad noch zu unseren Füßen lag. Orhan hat Glück, wir sind lustig gestimmt. Ich rufe an, verstehe noch weniger als in der Live-Vorstellung und rede daher einfach fröhlich drauflos. 


Am nächsten Morgen: Franzose überlegt. S-Bahn oder Fahrrad? S-Bahn kostet Geld, Fahrrad ist wenig teppichkompatibel. Egal. Ist ja eh nur Spaß. Also radeln wir los, quer durch die Stadt, Schubrakete in Richtung Pampa. Am vereinbarten Zielort, zumindest der, den ich meinte, verstanden zu haben, laufen wir orientierungslos umher. Franzose findet Orhan dann endlich an einer Backsteinwand. Er freut sich auf Türkisch und lotst uns zu einem weißen Transporter. Ein Zweisitzer, wie schön. Aber das ist alles kein Problem, denn Orhan hat an alles gedacht. Meine linke Pobacke darf auf einem Rattanhöckerchen gleich hinterm Schaltknüppel Platz nehmen, die rechte Pobacke muss sich den Beifahrersitz mit Franzose teilen. Na, dann wollen wir mal! Als wir vor einer langen Reihe an Garagen zum Stehen kommen, beschleicht mich das Gefühl, Orhans "Teppichlager" könnte eine klitzekleine Nummer winziger ausfallen als ich es mir ausgemalt hatte. Uuuund... Richtiiiig! Schwungvoll öffnet er Garage Nummer 3, in der selbstverständlich nicht nur Teppiche lagern. Eigentlich lagert dort nur ein einziger Teppich, er lehnt lässig an der Wand, und sonst jede Menge anderer Kram. Franzose und ich wechseln einen amüsierten Blick, Orhan erlöst derweil geschäftig die kabelumwickelte Perserteppichwurst, die daraufhin einfach und repräsentativ im Garagenhof zum Liegen kommt, und ich... ja, ich weiß auch nicht so genau. Mal sehen, was da noch so kommt, nech? Hmmmjoar, gar nicht mal so hässlich, der Teppich. Anders wär auch doof, denn wir opfern hier gerade unseren Faulenzersonntag. Es folgt eine wilde Verhandlung zwischen Orhan und mir. Übers Ohr hauen lassen wir uns nicht! Hin, her, hin, her. Nur ein einziger Teppich? Und ganz einwandfrei ist der ja auch nicht mehr! Oh wei, und all der Staub, der da drinstecken wird! Uuuuund zum Dritten. Der abgeschubberte Teppich aus einer Mietgarage in Frankfurt Eschersheim wechselt für einen zweistelligen Betrag samt Lieferdienst den Besitzer. Herzlichen Glückwunsch!


Ja. Was danach noch kam: Wir fahren mit Orhan, dem Rattanhöckerchen und der Kabelteppichwurst unter Inanspruchnahme sämtlicher Schleichwege Frankfurts zu uns. Es dauert, oh, wie es dauert. Meine linke Pobacke kündigt einen Krampf an. Orhan erzählt von Sommern in der Heimat, davon, dass Deutschland echt okay sei und er schon ganz zufrieden. Alle zehn Sekunden hüpft sein Anschnallgurt aus der Fassung. Zunächst steckt er ihn noch immer wieder geduldig zurück, bis es auch ihm irgendwann reicht und er sich einfach auf den Metallteil des Gurts draufsetzt. Dann sieht es wenigstens von außen noch so aus, als sei er angeschnallt. Clever. Im Hintergrund läuft Musik. Türkischer Tango. Lacht nicht, das war so. Wusstet ihr, dass es türkischen Tango gibt? Klingt super! Wir kommen an, Gottseidank! In der Wohnung hüpfe ich knipsend um die Teppichrolle herum und freue mich wie ein kleines Kind. Bis Franzose die herrenlosen Fahrräder erwähnt, die wir jetzt wieder abholen müssen... Vom anderen Ende der Stadt. Argh. Als wir zurückkehren, ist es bereits stockduster, aber nicht duster genug, um nicht zu merken, dass dieser schöne Teppich ECHT VOR STAUB FAST STEHT! Wir ergreifen erste kosmetische Maßnahmen und daher einen Tennisschläger (in Ermangelung eines Teppichklopfers) und stapfen entschlossen aus der Wohnung. Zwei Bänke auf dem Kirchenvorplatz müssen herhalten. Der Teppich wird über sie gestülpt. Wir kloppen wie die Berserker drauflos. Gib's ihm! Franzose hebt bärenstark die eine Seite des Teppichs hoch, so gut es eben geht - ich bin Rumpelstilzchen und schlage wild hüpfend mit dem Tennisschläger um mich. Dieser Lärm, dieser unfassbare Lärm. Und die große Kirche macht alles noch viel schlimmer, es hallt die gesamte Straße entlang. Bäm, bäm, BÄM! Erste Fenster erhellen sich, erste vorbeiwankende alkoholisierte Menschen feuern uns an, erste Nachbarn grüßen und finden uns unterhaltsamer als das Fernsehprogramm. Ich grüße sie mit hoch erhobenem Tennisschläger. Oookay, Zeit zu gehen... Der Teppich ist dann wohl jetzt sauber genug. Wir saugen noch, wir wischen, wir saugen erneut, und dann, dann liegt er endlich da, wo er liegen soll! Wahnsinn. Bester Sonntag des Jahres.


Toller Teppich. Echt. So, so toll.

Was gelernt?
 Einfach mal den Unfug mitmachen. Hehehe.
Orhan for President!