Montag, 27. April 2015

Ein Tag ohne Kompost ist ein verlorener Tag!

Liebe Schnitzelfreunde,
vorgestern wachte ich auf und erinnerte mich dunkel an ein Plakat. Das hing Freitagabend an einer dicken, runden Litfaßsäule auf dem Weg zu einer unschlagbaren belgischen Kneipe. Normalerweise achte ich nicht auf Plakate. Wirklich nicht. Meistens soll man ja animiert werden, in eine Oper, ein Museum oder auf ein klassisches Konzert zu gehen, von dem man noch nie zuvor gehört hat. Dieses Plakat war anders. Es propagierte - Achtung, Trommelwirbel! - den morgigen Komposttag! Also vorgestern. Jetzt isser vorbei.

"Ähm", dachte ich mir, "ernsthaft? Komposttag... Sachen gibt's." Damit war die Angelegenheit erstmal wieder erledigt. Vor mir lag ein spaßiger Abend mit Franzosen, Burgern und belgischen Pommes. Er endete spät. In mir schwamm Bier. Nicht genug allerdings, um den Kompostgedanken darin zu ertränken. Er hatte sich festgesetzt. Sowas sucht man sich ja nicht aus.


Der nächste Morgen. Ich stehe senkrecht im Bett, elektrisiert vom Gedanken an Kompost. Warum, werden wir nie erfahren. Es ist 8 Uhr und Franzose soll jetzt verdammt nochmal aufwachen. Das tut er auch. Zerknautscht sieht er aus. Das wird schwierig.

Irgendwie habe ich es dann hinbekommen, ihn davon zu überzeugen, mich zur Rhein-Main-Biokompost GmbH am anderen Ende der Stadt zu begleiten. Oder...sogar beide. Ihn und seinen Kater. Einer dieser Punkte auf der Agenda der Kompostwerke musste es ihm angetan haben:

  • Führung durch das Kompostwerk
  • Bepflanzungsaktion "Blumenkästen solange der Vorrat reicht"
  • Bodenqualitätstest (Erdprobe bitte mitbringen)
  • Beratungen und Verkauf von Komposterde
  • Kinderprogramm
  • Speisen- und Getränkeangebot

Gut, eigentlich war es echt schwierig, ihn aus dem Bett, unter die Dusche und dann auch noch aufs Fahrrad zu kriegen. Bei DEM Angebot. Ich verstehe sowas nicht. Ich habe dann ein ausgeklügeltes Animationsprogramm aus dem Hut gezaubert. Damit wenigstens der Weg zum Komposttag ein bisschen spannend wurde.

Aber wie schon angedeutet: ich war Feuer und Flamme. Denn mich kann man mit totalem Mist begeistern. Diesmal sogar im wahrsten Sinne des Wortes. Wer kann schon gegen einen Samstagmittag auf einer motorisierten Kloschüssel anstinken? Na also. (Ich lass jetzt auch die Wortwitze.) Ach Mensch, ich freu mich immer noch. Das Programm, bittesehr:



1. Lecker Frühstückchen

 
Zwei Schnittchen am Main, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Vom Bäcker an der Ecke. Im Schatten des großen "Gerippten" gefuttert. Das ist ein Gebäude mit tausenden kleiner, dreieckiger Fenster, das aussieht wie die hier üblichen Apfelweingläser. Franzose brauchte dringend etwas zwischen die Zähne. Dies hier war ein guter Auftakt.


2. Graffiti in zwielichtiger Gegend


Auf dem Weg in Richtung Osthafen tauchten wir unter einer großen Kreuzung her und wurden beinahe erschlagen vom Bunt. Franzose war gleich einen Tick wacher als vorher. Da geht einem doch das Herz auf. So viel Farbe, so viel zu sehen. Und es wirkte tatsächlich so, als sei das Gesprühe rund um die Fußgängerunterführungen ehrlich und offiziell erlaubt. Logische Konsequenz:


3. Selbst Hand anlegen


Immer nur zugucken is' nix. Also lieber mal mit anpacken. Ich gab einen exquisiten Einführungskurs ins Gangster- und Ganoventum für aufgeschlossene Mitbürger. Ganz ehrlich, Graffiti finde ich oft richtig toll. Weil es nicht immer Schmiererei ist, sondern dazu beitragen kann, den ganzen angeschmodderten Beton kuscheliger wirken zu lassen. Natürlich haben wir nicht wirklich rumgesprüht. Die Dosen waren leider alle leer und taugten nur noch für so tun als ob. Mist...


4.  Kurz alles doof finden


Das kennt Franzose schon von mir. Manchmal muss man Emotionen zeigen. Es kann ja auch nicht immer alles Ponyhof sein, ne? Seid auch ihr irritiert von diesem Gefüßel da rechts unten? Vier Beine und fünf Füße... Anatomisch fragwürdige Konstruktion. Schnell weg.


5. Andere Franzosen treffen!

 
...und auf Tuchfühlung gehen. Während ich mich auf schöne Augen konzentrierte, na ja, ihr seht es ja selbst.

Wir hatten die Stadt durchquert und waren dem Ziel sehr nah. Die Kompostwerke liegen in einem Gewerbegebiet am Osthafen. Gut versteckt in einer Sackgasse. Mir war bis zu dem Tag gar nicht bewusst, dass so etwas wie ein Kompostwerk überhaupt in der Form existiert. Auch wenn es nur logisch ist. Irgendwo muss der Biomüll ja hin. Und irgendwas muss damit ja auch geschehen. Sonst wäre das ganze leidenschaftliche Mülltrennen vollkommen sinnlos.

So, aber wenn ihr jetzt denkt, der spaßige Teil wäre vorüber und ab sofort gibt's nur noch schimmelige Tomaten und stinkige Bakterien, habt ihr euch geschnitten. 

Wir kommen also an und ich bin erst einmal komplett begeistert von, ja, von aufgetürmtem Geäst.



Lange konnte ich mich aber nicht darauf konzentrieren, denn der Mann am Eingangstor hatte vergessen, uns den Coupon für den oben erwähnten bepflanzten Balkonkasten auszuhändigen. Also schnell nochmal zurück! So nicht. Komposttag ohne Erde? Pfff.



Wunderbar. Gerade noch geschafft. Es gab nur eine begrenzte Anzahl von Kübeln, die herausgegeben wurden. Franzose schlurfte herum, weil er der Meinung war, wir würden eh die einzigen Gäste auf diesem seltsamen Kompostdingens sein, aber dem war nicht so.



Er legte sich in eine Baggerschaufel und döste. Nee, ganz im Ernst, man konnte wirklich eine Menge Unfug in dem Werk anstellen, ohne dass sich auch nur eine Menschenseele daran gestört hätte. Überhaupt schienen die Leute im Kompostwerk total tiefenentspannt zu sein und einen sehr sympathischen Humor zu besitzen. Siehe ganz oben. Kloschüsselrennen? Okayyy. Aber es fängt ja eh schon damit an, dass man als Kompostwerk der Meinung ist, aus Biomüll einen Event bauen zu können und definitiv bauen zu müssen. Super! Kinder konnten auf dem Gelände außerdem in kleinen Reinigungsfahrzeugen mitfahren und die rotierenden Schrubberbürsten bedienen. Leider war ich dafür zu alt. Nicht, dass ich gefragt hätte. Echt nicht!



Neben dem Tor zur Einfahrt türmten sich mehrere Berge aus biologischen Roh- und Nutzstoffen auf. Rindenmulch, grobe Holzspäne und natürlich schöner lockerer Erdboden. Wir buddelten in allem herum. Bis endlich die Führung durchs Kompostwerk anfing. Kurz davor düste ich auf der motorisierten Kloschüssel im Kreis herum und legte mich beinahe auf die Schnauze, weil ich zu viel Gas gab. Das war ehrlich gesagt kaum zu toppen. Die Führung hatte es schwer.



Das, was ihr da auf zweien der drei Bilder entdecken könnt, ist der Biomüll aus Frankfurt, Offenbach und Umgebung. Und zwar von nur zwei Tagen. Stinkt etwas weniger als erwartet. Und enthält leider etwas mehr Plastikmüll und sogar Metallteile (äh...) als befürchtet. Ist doch gar nicht so schwer, Biomüll zu identifizieren, oder etwas doch?! Manmanman. Mit Liebe und viel Hingabe wird hier im Werk der gute vom schlechten Müll getrennt, mithilfe fleißiger Bakterien unter Zugabe von Wasser und wohliger Wärme wieder aufbereitet und letztendlich getrocknet zu Eins-a-Biokompost!



Schon ein bisschen schade, dass Komposttag nicht öfter im Jahr sein kann. 


Was gelernt?
Spontane Ideen sind die besten.
Und: Frankfurt scheint doch was zu können.
Ich halte euch auf dem Laufenden. Tipps sind willkommen.

Mittwoch, 15. April 2015

Fähre + Möwen + Knabberkram = große Liebe

Liebe Schnitzelfreunde,
merhaba! Ich bin zurück aus Istanbul und hatte eigentlich vor, mit einem großen Abriss des gesamten Urlaubs umme Ecke zu kommen. Tja, eigentlich, hm. Dann sichtete ich meine über 1000 Fotos (öhm, wann genau ist das denn passiert?) und stellte fest: da sind fast überall Möwen drauf! Im Ernst, knapp ein Drittel der Bilder sind blau und bemöwt. Natürlich nicht, weil Istanbul voller Möwen ist. Papperlapapp. Die Stadt ist voller rummelbuntem Lärm, Menschen, Gehupe, es wird gelacht, geredet und überall und immer wieder Tee getrunken. Also voller Dinge, die man sich von einem Urlaubstrip eigentlich nur so wünschen könnte. 

Aber. 


Die Sache hat einen entscheidenden Haken: Man kann dort keine Möwen füttern. Dafür muss man sich von Istanbul wegbewegen. Nur ein kleines bisschen. Gar nicht weit. Und auf die Drei-Wetter-Taft-Frisur scheißen. Das muss man auch. Und zwei klitzekleine Eurostückchen in Form von 6 türkischen Lira, die muss man einer Dame hinter Glas aufs Tellerchen legen. Schon kann's losgehen! Ah, stop. Eins noch. Bissken Schnuckerkram einpacken natürlich. Erdnussflips, Butterkekse, TUC-Cracker, Fladenbrot, Schnittchen, sowas halt. Sonst wird's schwierig. Möwenliebe ist eben leider nicht bedingungslos, dafür aber käuflich. 

So. Und aus genau diesem Grund - dem, dass Möwen zwar nicht in Istanbul, aber zuhauf auf meinen Bildern zu sehen sind - führt heute kein Weg dran vorbei an einem ausschweifend bebilderten Möwenpost. Äh, an meiner textinternen Logik feile ich noch...


Die Fährfahrt fing an wie jede andere auch. Ich kaufte ein Ticket, stolperte an Bord, entschied mich intuitiv für das obere Deck und den Fahrtwind und suchte mir einen Sitzplatz. Dann passierte lange erstmal nichts. Elternzeigefinger deuteten auf Objekte in der Ferne, der Schiffsmotor brummte ab und an auf, wir wippten wie in einer Nussschale, die auf den Wellen tanzt. Ich ließ den Blick schweifen. Ich klickte ein wenig herum. Zeit vertreiben.


Irgendwann legten wir dann endlich ab und tuckerten über den Bosporus. Sonne, Wasser, Wind - ich war selig. Dabei hatte sich noch keine einzige Möwe angemeldet!


Vermutlich wurde auch den übrigen Passagieren die Fahrt ein wenig lang. Das zooog sich aber auch wie Kaugummi hier, Menschenskinderneeneenee. Die Haare flatterten im Fahrtwind. Die Gischt schäumte, so wie sich das gehört. Istanbuls Häuser waren längst nicht mehr zu sehen. Um uns nur noch Blau. So viel davon, dass es schwierig wurde, den Horizont auszumachen. Ich genoss die Fahrt in vollen Zügen. Musste ich ja auch - unterhalten ging nicht.

Dann drehte ich mich für einen Sekundenbruchteil weg, was vermutlich totaler Quatsch ist, und auf einmal sausten ganze Schwärme hungriger, kreischender Möwen hinter der Fähre her und an ihr vorbei und um sie herum. Ich wüsste zu gerne, wer an dem Tag zuerst da war - der geworfene Brotkrumen oder die gelegenheitswitternde Seemöwe.


Eigentlich auch egal. Jetzt war Action angesagt! Die Passagiere teilten sich in drei Grüppchen. Die, die was zu Knabbern dabeihatten, die, die eine Kamera in Händen hielten und die, die keins von beiden, aber trotzdem Spässkes hatten. Plötzlich waren alle auf der Fähre sehr, sehr beschäftigt und sehr, sehr begeistert. Alles Essbare wurde wie im Rausch über Bord geworfen, man feuerte sich gegenseitig an und fütterte die Raubtiere in möglichst fotogenen Posen. Es war herrlich! Je länger man sich kannte, desto mutiger wurde man, sowohl Möwen als auch Menschen. Ich flitzte von einer Ecke in die nächste, bei den Nahaufnahmen streifte oft ein Federnschlag meine Stirn. Das hier war das Geflügelparadies! (Das klingt jetzt arg nach Fleischtheke im Supermarkt, ist aber anders gemeint.)


Ich habe überhaupt keinen Überblick, wie lange das Spektakel gedauert haben könnte. Ich weiß nur, dass ich den ersten Stop der Fähre komplett verpasste und deshalb eben auf einer anderen Insel landete. Die war aber auch sehr schön. Das, was sonst noch so auf der Fähre passierte und was ich unfreiwillig Feines auf der Prinzeninsel Büyükada im Marmarameer getrieben habe, erzähle ich euch ein andermal. Ich muss wohl erst den Möwenrausch ausschlafen... Mein Gott, war das toll.

Was gelernt?
Am Wasser wird man niemals nicht enttäuscht!
Und: Immer, immer Kekse dabeihaben!

Dienstag, 7. April 2015

Ein Schnitzel auf Abwegen [Reise]
Solotrip nach Istanbul - die Vorbereitungen

Warning: This post contains viel zu viel Text.

Liebe Schnitzelfreunde,
das Reisefieber hat mich gepackt. Mal wieder. Fünf Tage Istanbul stehen vor der Tür. Samt Muezzins, Moscheen und Baklava. Ich gehe ganz allein. Juchu! Es ist erst der zweite Solotrip meines Lebens, aber dieser erste, die eine Woche in Barcelona vor drei Jahren, hallt noch immer in mir nach. Sie war komplett abgefahren, ich habe kaum geschlafen, tolle Menschen kennengelernt und bin randvoll mit Lebensfreude und schönen Bildern in Kamera und Kopf zurückgekehrt. Und ein paar neuen Freunden in Argentinien und Irland. Seitdem bin ich angefixt. Alleine reisen ist nicht nur spannend, es krempelt einen sorgfältigst um und schüttelt ordentlich durch. Glücklich macht es auch. Und stark. Und deshalb muss es jetzt wieder sein.

Was bringt es, groß zu tönen, dass Alleinreisende unglaublich viel Mumm in den Knochen haben und mit allen Wassern gewaschen sein sollten. Aber eigentlich stimmt es natürlich und muss doch gesagt werden: Alleinreisender = Superheld! Na gut, den Satz sparen wir uns. Ich wollte mich halt mutig fühlen. Trotzdem. Ihr wisst, was ich meine. Man wirft sich raus in die Welt und darf alle eventuell auftretenden Probleme mal schön selbst lösen. Auch die ergreifenden Momente feiert man zur Abwechslung ausschließlich mit sich und seinen zehn Zehen. Man begegnet den Menschen ganz anders, weil sozialer Kontakt plötzlich rar und deshalb wertvoll ist. Alleine reisen ist irgendwie anders, aber hauptsächlich macht es wahnsinnigen Spaß.



Bevor ich mich wieder in gewohnter Manier in Details verliere und eine ganze Philosophie übers Reisen ersinne, teile ich lieber ein paar Gedanken übers Vorbereiten solcher Alleinreisen mit euch. Heute mal mit ein bisschen Struktur. Ich weiß. Wo soll das enden.



Die Entscheidung ist gefallen. Zumindest die erste von vielen. Ihr wollt euch alleine auf den Weg machen, die Welt zu erobern. Jawoll! Aber in welcher Ecke fangt ihr damit an? Ich begebe mich meist schnurstracks auf die Seiten der Fluggesellschaften, bevor sich in meinem Kopf vollkommen irre Traumziele melden und ich dann feststellen muss, dass der Transport dorthin fest mit einem vorausgegangenen Lottogewinn verknüpft werden sollte. Manches ist einfach saisonbedingt schweineteuer und muss dann nicht sein. Seid also offen in der Zielfindung.

Meine einzigen Bedingungen für den Solotrip waren beispielsweise ein halbwegs angenehmes Klima und ein Ziel, das ich noch nicht kannte und das mich neugierig machte. Nichts Besonderes also. Sonne, neu und interessant. Fast sinnlos, das zu erwähnen. Aber es hält die Erwartungen weit unten und sorgt dafür, dass ihr euch auch auf Vorschläge einlasst, die ihr vorher so gar nicht auf dem Schirm hattet. Wie in meinem Fall eben Istanbul. Außerdem sind niedrige Preise ein unschlagbares Argument und beugen akuter Entscheidungsunfähigkeit bestens vor. Günstig? Interessiert? Und los! Gute Reiseziele für Einzelpersonen sind meiner Meinung nach Hauptstädte, andere große Städte und allgemein Orte, mit denen eine bestimmte Tätigkeit verknüpft ist. Man kann zum Beispiel ganz wunderbar alleine wandern gehen, einen Surfkurs belegen oder einfach bei vielen Spaziergängen durch malerische Gassen seelenruhig bestimmte Fotografiekenntnisse vertiefen.



Der Flug ist gebucht, die Hummeln im Hintern brummen zufrieden eine Oktave tiefer und ihr könnt euch auf die Suche nach einer Unterkunft begeben. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber wenn ich alleine unterwegs bin, brauche ich einen Ort, der dafür sorgt, dass meine Anonymität auf KEINEN Fall gewahrt wird. Ich will mit Menschen konfrontiert werden. Außer, es geht auf eine Messe oder Ähnliches, auf der man sich tagsüber die Füße plattlatscht und abends im neuen Zuhause eh nur noch apathisch an die Decke starrt und nicht reden möchte, weil der Kopf brummt. So etwas passiert mir aber eher selten bis gar nicht.

Meine Wahl sind also: Hostel, Bed+Breakfast und private Pension. Wer's ganz intim mag, wirft sich natürlich Dank couchsurfing jede Nacht auf ein anderes fremdes Sofa. Ich habe mittlerweile lieber ein richtiges "Hauptquartier", in das ich zurückkehre. Ständiges Ein- und wieder Auspacken stört die Erholung ein wenig. Bei Hostels achte ich darauf, dass sie liebevoll eingerichtet sind. Soweit sich das anhand der Internetbilder beurteilen lässt. Eine nicht allzu karge, schlichte Einrichtung erhöht zwar oft den Preis pro Nacht, gleichzeitig aber auch die Chancen, dass es Gäste beherbergt, die zu dieser Zeit nicht grölend und kichernd über den Flur stolpern. Und kuscheliger ist es dort dann auch. Es fühlt sich eher nach einem Zuhause in der Ferne an als kühle Stockbetten aus Metall, grelle Neonröhren und nackte Wände. 

Wer zwar grundsätzlich Kontakt, gleichzeitig aber auch garantiert ruhige Nächte haben will, kann sich immer noch in eins der seltenen Einzel- oder Doppelzimmer einbuchen. Oder zu dm gehen und bunte Ohrstöpsel kaufen. Manchmal hat es natürlich nichts mehr mit Wollen zu tun. Ich war diesmal einfach zu spontan und deshalb spät dran. Kein Wunder, wenn man erst eine Woche im Voraus beschließt, sich aus dem Staub zu machen. Jetzt sind es also das Achtbettzimmer und die kleinen Gummistopfen für die Lauscher geworden. Passt schon. Und spart Geld. Alles wird gut.




So isses. Ihr habt ein Ziel, ihr habt ein Bett. Das ist beruhigend. Jetzt fehlt euch zum vollkommenen Glück nur noch der richtige Reiseführer. Ich bin früher gerne ohne diese kleinen dicken Begleiter losgezogen, weil ich dachte, man kriegt auch locker nebenbei alles mit, was wichtig ist. Das sehe ich mittlerweile ein bisschen anders. Generell bin ich eher auf Erlebnisse, gute Gespräche und unerwartete Entdeckungen als auf Sightseeing aus. Die kleinen Spaziergänge in fremden Vierteln, zufällige Begegnungen mit Hunden, Katzen, Kindern oder älteren Herrschaften, aber auch wilde Verfolgungsjagden auf geliehenen Fahrrädern, das Umherstrolchen in verlassenen Gebäuden oder sportliche Aktivitäten. Zu viel altes Gemäuer und starre Denkmäler - das macht mich eher fertig. Nee, danke. Aber was, wenn ihr nur ziellos im Gewirr der Gassen umhergeirrt seid und am Ende des Urlaubes merkt, dass ihr eigentlich darauf gehofft hattet, dieses oder jenes zu finden? Oder euch doch ein wenig ärgert, nichts von der Existenz bestimmter Dinge gewusst zu haben. Das ging mir hinterher in Barcelona so. Zum Glück war der Ire gut vorbereitet und schleifte mich noch zu einem Kloster und auf eine Wanderung durch wundersame Felsformationen. Aber man hat ja nicht immer einen Iren vor Ort, nicht wahr? 


Ein Reiseführer ist keine Heilige Schrift, an die man sich klammert. Ihr sollt ja auch nicht mit der Nase im Buch durch Straßen wieseln und so dann doch fast alles verpassen. Man darf ihn sogar über lange Strecken ignorieren und links liegenlassen, aaaaber: es ist so toll ihn zu haben! Für "ach du scheiße, wo sind wir"-Momente genauso wie für "so, morgen regnet's - welche Möglichkeiten ham wer nu?" Und für Alleinreisende ist der Reiseführer einfach ein guter Anker.

Für Istanbul habe ich das Reiseführerregal in der Buchhandlung meines Vertrauens einmal komplett leergeräumt. Und dann einen dicken, hohen Turm gebaut. Nehmt euch Zeit, da richtig reinzulesen. Braucht ihr viele Bilder, um ein Gefühl dafür zu bekommen, was ihr sehen wollt? Braucht ihr viele Hintergrundinformationen, damit euer Interesse geweckt wird? Ist euch wichtig, dass das Büchlein ein paar feste Touren oder Spaziergänge vorschlägt? Das war bei mir diesmal der Fall. Ich bin letztendlich bei "Istanbul mit türkischer Riviera und Kappadokien" von National Geographic gelandet, obwohl ich mir vorgenommen hatte, total cool auszusehen, wenn ich meinen Lonely Planet Istanbul aus der Tasche ziehe und beiläufig die Seiten umblättere, während ich genussvoll in einen Sesamring beiße. Aber beim Durchsehen war mir das dann alles definitiv zu oberflächlich und, ja, da war tatsächlich zu wenig Text. Ich hielt das Fast-Food-Restaurant unter den Reiseführern in Händen und war ganz erstaunt über meine eigene Reaktion. Wollemerned. Weggelegt.

Strebertipp: lest den Schinken echt von vorne bis hinten durch. Da haben sich Menschen Gedanken gemacht. Alles werdet ihr nicht sehen (wollen), aber erst, wenn man viel gelesen hat, fühlen sich getroffene Entscheidungen ganz richtig an. Und dann fliegt ihr los und werft eh alles wieder übern Haufen, weil euch das Reiseziel ungefragt vom Hocker haut und euch zu ganz anderen Dingen verführt als ihr euch vorgenommen hattet. So soll es sein! Nur wer einen Plan hat, kann davon abweichen.



Natürlich habt ihr den Reiseführer auch vier Tage vor Abflug noch immer nicht ganz durchgelesen. Aber gewissenhaft durchgeblättert! Ihr habt eine vage Vorstellung davon, was euch erwartet. Okay, das könnt ihr eurer Oma erzählen, ihr habt keine Ahnung. Im Flughafen, während des Fluges und im Shuttlebus lässt sich das aber auch noch ändern. Keine Panik.



Ideen lassen sich auch anders finden. 

Wozu gibt es das Internet? Ich habe in diesem Internet eigentlich nur zwei Dinge unternommen: die google-Bildersuche aktiviert - schickere Bilder gibt es bei Pinterest oder Flickr - und Reiseberichte auf diversen Blogs gelesen. Die Bildersuche taugt eher zur Einstimmung und vermittelt ein Gefühl dafür, was letztendlich wirklich einen Besuch wert ist. Zusammen mit google maps kann man Entfernungen abschätzen und schonmal gucken, was wo liegt und wie kombiniert werden könnte. Bei 8tracks das passende Mixtape ankurbeln und in die fremde Welt eintauchen. Stundenlang. Eine etwas größere, weil faktisch konkretere Hilfe waren mir die durch meine nicht sehr ausgefallene Suchanfrage "Istanbul Blog" gefundenen Reiseberichte auf Blogs, sowohl von Einwohnern Istanbuls als auch Touristen oder professionellen Reisebloggern. Sehr lange hängengeblieben bin ich bei Jürgen und Mike, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, jeder Stadt, die sie bereisen, ganze 91 Tage lang ihre Aufmerksamkeit zu schenken und daher einen etwas tieferen Einblick in das Istanbuler Leben gewähren. Informative Texte, persönliche Meinungen und hochauflösende Knallerbilder. Und wie so oft findet sich in den Kommentaren unter den einzelnen Posts guter Blogs auch noch der ein oder andere richtig gute Tipp. Eine wirklich brauchbare Sammlung informativer Links findet sich auch bei Zeit Online.

Nachdem ich mich stundenlang durch Berichte gebuddelt habe, steht jetzt eine kleine "Will ich machen!"-Liste.

Sie beinhaltet in lockerer Reihenfolge: einen Besuch in einem echten türkischen Hamam, den Besuch der Hagia Sophia und der Blauen Moschee, das Schlendern über den Großen Bazaar, eine Bootsfahrt auf dem Bosporus, das Auffuttern eines Makrelenbrötchens für auffe Faust, das Besteigen des Galata-Turms, das Bestaunen und exzessive Knipsen der alten Straßenbahnen auf der Istiklal Caddesi, das Probieren irgendeiner mir gänzlich unbekannten türkischen Leckerei, eine Stippvisite auf der asiatischen Seite der Stadt, den Besuch des Istanbul Modern und ellenlange Schlenderspaziergänge ohne Eile.

Nutzt vor allem die Reiseberichte im Netz für kleine, besondere Tipps. Ich werde beispielsweise Dank Jürgen und Mike versuchen, den Galata-Turm pünktlich zum Sonnenuntergang zu besteigen. Der Himmel wird sich dramatisch verfärben und die Rufe des Muezzins werden einen eindrucksvollen Klangteppich über die Dächer der Stadt legen. Ich werde Gänsehaut am ganzen Körper haben. Na ja, oder vielleicht regnet es auch und ist neblig und der Herr Muezzin verpasst seinen Einsatz. Wir schaun einfach mal!




Das Inselhopping knüpft nahtlos ans vorhergegangene Fine-tuning an. Da ich alleine unterwegs sein werde und wenigstens ein winziges bisschen Struktur in den Miniurlaub bringen möchte, habe ich mir zu Anfang zwei Punkte von der Liste geschnappt, für die ich wirklich brenne. Fixpunkte vereinbaren nährt eure Vorfreude und gibt euch das Gefühl, ein paar echte Verabredungen zu haben. Ich werde nicht nach Hause fliegen, ohne nackt im Hamam von einer wildfremden Frau abgeschrubbt worden zu sein und ich werde auch nicht gehen, ohne Istanbul vom Bötchen aus betrachtet zu haben. 

Macht euch schlau, bucht Tickets, informiert euch über Öffnungszeiten sowie Ruhetage uuund ab die Post. Ihr habt zwei Dates mit Istanbul.

Eigentlich sollten Hamam und Bootsfahrt schön auf den Urlaub verteilt werden. Vier ganze Tage Urlaub, jeden zweiten davon ein schickes Vorhaben. Dann aber entdeckte ich Circle Istanbul und verliebte mich spontan. Gleich am ersten Morgen in der fremden Stadt mache ich nun also zum ersten Mal eine - anscheinend recht ungewöhnliche - Stadtführung mit. Achtung, Zeitverschiebung! Sonst kommt ihr eine Stunde zu spät. Ich kann Stadtführungen echt nicht ausstehen und bin deshalb sehr gespannt! Die Führung beinhaltet natürlich eine Bootsfahrt und einen Besuch im Hamam. Weil ich clever bin. Zack, Pläne übern Haufen geworfen. Wenn ich eins kann, dann das. Und sie dauert komplett wahnsinnige 13 Stunden. Danach können mich alle Fixpunkte dieser Welt mal gernhaben. Ich werde berichten.



Seid ihr noch da? Unfassbar. Gleich ist es geschafft, ich schwöre. Nur noch ein paar kleine Gedanken, die in keine der oben aufgeführten Kategorien passen, und ihr könnt euch wieder hinlegen.

Abendgestaltung. Ihr könnt euch früh aufs Ohr hauen, weil ihr am nächsten Morgen als Erste senkrecht an der Blauen Moschee stehen wollt, um die kilometerlange Schlange zu vermeiden. Ihr könnt es aber auch gemütlicher angehen lassen und habt vielleicht Lust auf Gesellschaft. In Barcelona gab es eine Art Wohnzimmer im Hostel, in das ich mich einfach mit einem Buch setzte und ab und zu lächelnd aufsah, wenn Gespräche aufkamen. Eigentlich war es das auch schon. So habe ich tolle Leute kennengelernt. Oder ihr sprecht jemanden an, der auch alleine unterwegs ist und fragt, ob ein gemeinsames Abendessen nach einer guten Idee klingt. Oder ein Glas Wein. Mutig sein. Hier kennt euch eh keiner. Kino ist auch drin! Im April findet das Istanbuler Filmfest statt. Dieses Jahr vom 4.-19. April. Mehr Infos hier.

Essen. Frühstück gibt es häufig im Hostel. Mittagessen oft unterwegs. Und abends, tjaaa, da überlegt man sich was. Entweder, ihr habt euch morgens schon verabredet, ihr schlendert wie auch mittags schon irgendwohin, wo es was auf die Hand gibt, ihr könnt im Hostel selbst was zusammenbrauen oder ihr katapultiert euch eigenhändig in die Königsklasse der Alleinreisenden: mit einem Restaurantbesuch. Ein Tisch für eine Person, bitte, danke. Natürlich sind Burger vom großen goldenen M eine Lösung, aber keine gute! Ich rede von richtigen Restaurants. Ihr seid allein, aber das heißt nicht, dass das geile Essen nicht trotzdem geil schmeckt.

Umherstreunen. Eine gute Sache. Noch besser wird es, wenn ihr euch und eurer Kamera eine Aufgabe stellt, die ihr so behandelt wie einen bezahlten Auftrag. Ihr robbt am Boden herum, um Katzen aus der Froschperspektive zu knipsen und werdet schief angeguckt? Nicht eure Schuld, der Boss will es so! Ihr sprecht wildfremde Leute an und bittet um ein Portrait? Weil das auf der To-Do-Liste steht! Ihr fotografiert nichts, was nicht blau, grün oder türkis ist? Muss, sonst platzt doch der Auftrag! Zu Anfang fühlt ihr euch bescheuert, dann werdet ihr mutig und ungewohnt erfinderisch, dann seid ihr kaum noch zu stoppen und dann, dann machen plötzlich auch noch andere Leute mit. Im besten Fall. Ja, diese Dinge geschehen!



Und jetzt nehme ich die Beine in die Hand, schnappe mir meine Kamera, ein Buch, ein bisschen tragbare Musik und stürze mich mitten rein ins unbekannte Istanbul! Bis bald, ihr Lieben!


Was gelernt?
 Vorbereiten geht ja wohl.

Donnerstag, 2. April 2015

Do it doch einfach yourself.
Knacki-Eier oder was davon übrig blieb

Liebe Schnitzelfreunde,
Menschen, die von Virusinfektionen niedergestreckt wurden, können nicht mehr ganz so klar denken. Die ein oder andere Synapse ist dann einfach auch betroffen, und es kann dann wirklich niemand etwas dafür. Es geschehen seltsame Dinge. Von ganz allein. Und das ist okay. Ehrlich. Das schonmal als Warnung vorab. Oder wie erklärt ihr euch folgende superkreative Oster-GAU-Kreation?


Ja, schön is anders. Weiß ich doch. Aber irgendwie finde ich es trotzdem super! (Bin noch krank - ihr versteht.) Und jahreszeitlich passend angehaucht ist es auch. Der ein oder andere mag angesichts dieser Skulptur etwas verhalten reagieren und sich nicht sicher sein, was er davon halten soll. Sehr okay. Wirklich. Nicht ihr seid das Problem. Ich eventuell auch nicht. Wir schieben es auf Unstimmigkeiten im Raum-Zeit-Kontinuum, wedeln affektiert mit den Händen und... Passt auf, das war so:

Die meisten Dinge kann man ja zum Glück erklären.

Ostern kündigte sich also an. Eier. Wir brauchen mehr Eier! Seit zwei Wochen rannte ich herum und dachte nur noch an Eier. Vor allem an Dekorationsmöglichkeiten, am liebsten ausgefallen, ein bisschen beknackt und leicht umzusetzen. Serviettentechnik? Blattgold? Washi-Tape? Supermarkteiermalfarbe? Nein, nein und nochmals nein. Das war es alles nicht. Im Kopf wurden Möglichkeiten gewälzt, bis mein Hirn verknotete und verknautschte. Dann wachte ich eines Morgens auf und dachte "Knast-Eier!", was an sich auch schon etwas seltsam ist. 


Das Etikettiergerät lief heiß. Ich wollte Knackis, internationale, gesetzeswidrig handelnde Hühnereier. Mit Stoppelbart, Zahnlücke und Streifenhemd. Hinter schwedischen Gardinen. 

Das zweite Ei von links ist übrigens Franzose. Leider gab das Etikettiergerät keine französischen Sonderzeichen wie das hier benötigte "œ" her. Aber selbst ist die Frau. Man muss sich ja nur zu helfen wissen.


Wie es der Zufall so wollte, bekam Franzose (nicht das Ei) am Tag vor dem Shooting plötzlich einen unstillbaren Heißhunger auf Spiegeleier. Die süße Schaumgummiversion vom Büdchen. Sollte das Büdchen/die Bude/der Kiosk als Institution übrigens eines Tages von der Bildfläche verschwinden, werde ich mir voraussichtlich wochenlang unentwegt die Nase schneuzen und Trauer tragen. Mit Schleierhütchen, Grabesmine und langen schwarzen Satinhandschuhen. So viele Kindheitserinnerungen voller gemischter Tüten für eine Mark und Salmiakkugeln, die sich kaum in die Backenräume zwängen ließen...

Auf einem nächtlichen Spaziergang schlenderten wir also auf ein Büdchen im Viertel zu - "we need to support the local businesses" - und fühlten uns wieder wie Grundschüler. Außerdem fügte sich das Schaumzeugs wunderbar ins Konzept. Essen war leider nicht drin.

Am kommenden Morgen ging es ans Werk. Der Karton wurde besprüht, die Eier angepiekst und mit knallroter Birne ausgepustet. An seiner Reaktion ließ sich ablesen, dass man das in Frankreich anscheinend nicht macht. Oder eleganter dabei aussieht. Ich etikettierte die Eier, setze sie in den schwarzen Bunker und flitzte hin und her, weil doch die Gitterstäbe noch fehlten. In der Schublade fanden sich Bambusstöckchen. Leider ließ der Kartonbunker jedoch nicht zu, dass man ihn piercte, obwohl das schön gewesen wäre.


Die vielen McGyver-Folgen aus den Achtzigern und Neunzigern zahlten sich endlich aus. Eine Art Steckmoos musste her. Ich würde meinen Lesern lediglich die Illusion eines Eierbunkers verkaufen! Genial. Mein Blick fiel auf den zuvor gebackenen Hefezopf. Bing! Den Rest könnt ihr euch denken. Irgendwo in dieser Geschichte wurde ich außerdem noch lauthals ausgelacht und disponierte daraufhin zähneknirschend um. Pff. Das wird nicht mein letzter Versuch gewesen sein.

 Was gelernt?
McGyver ist nicht umsonst nie mit einer Scheibe Weißbrot 
in den Händen zu sehen gewesen.