Sonntag, 23. November 2014

Bewegte Zeiten und bewegte Bilder
Dokumentationsliebe hoch zwei

Liebe Schnitzelfreunde,
Vielleicht habt ihr es schon bemerkt, vielleicht auch noch nicht, aber ich finde deutlich weniger Zeit für diesen Blog. Mein lieber Herr Gesangsverein! Diesen Blog, den ich wirklich arg lieb gewonnen habe in den vergangenen rund sieben oder acht Wochen. Tja, was soll ich sagen... So ist das wohl, wenn man zunächst ohne Job aber mit enorm viel Zeit und einem Kopf voller Ideen so ein Ding startet und dann, puff!, auf einmal MIT Job aber eben OHNE viel Zeit dasteht. Dumme Sache. Oder eben grad nicht. Jetzt heißt es: Arbeitslosenblog - level up!

Alles ist plötzlich neu und vollkommen anders. Ich besitze seit gestern einen Hosenanzug. Ich. In schick und schnieke. Um Gottes Willen, jetzt wird sie erwachsen. Das hab ich nicht gewollt. So oder so, hier geht's weiter, denn es macht Spaß! Und das anscheinend nicht nur mir selbst. Einer der weltbesten Gründe, nicht einfach hinzuschmeißen. Ein neuer Rhythmus wird sich finden, alles pendelt sich doch irgendwann ein, das ist tatsächlich immer so. Ohhmmmm. Franzose ist zwar gerade auch noch gesundheitlich angeschlagen und möchte gerne betüdelt werden, aber das bekommen wir alles hin. Einfach die Ruhe bewahren und weitermachen, nech? Fels in der Brandung und so. Na gut, angesichts meiner Körpergröße mag das vielleicht ein wenig lächerlich klingen. Ich bin eher Kategorie Kieselsteinchen.

So. Wo war ich? Ja. Bevor ich mich nun erneut in Details verliere und vom Hölzken aufs Stöcksken komme (ernsthaft? Stöcksken?), bleiben wir der bisherigen Linie treu und gehen ohne erkennbare sinnvolle Überleitung zum eigentlichen Thema über. Man soll ja immer das tun, was man am besten kann. 

Denn mal los. Ich habe in den letzten paar Wochen zwei Filme gesehen, die es sich meiner Meinung nach anzuschauen lohnt. Den ersten trete ich nicht so breit, denn das haben die Medien bereits getan. Aber den zweiten, Herrschaften, den mag ich in epischer Breite vorstellen, denn das war Liebe auf den ersten Blick. Beginnen wir also zunächst einfach mit Nummer 1. ¡Viva Mexico!





Qué caramba es la vida! oder auf Deutsch auch: Dieses schöne Scheißleben, von Doris Dörrie. Das war wirklich eine Farbexplosion, und auf Farbe stehe ich ja absolut. Diese satten Bilder, gepaart mit verrückter Mariachi-Musik, gespickt mit unzähligen kleinen Absurditäten und authentischen Einblicken in das Zuhause einiger starker Frauen, deren Leben voller Widersprüche stecken. Richtig toll. Allerdings stellenweise auch sehr traurig. So traurig, dass man versteht, warum der "Scheiß" seinen Weg in den Titel gefunden hat. Und gleichzeitig fordert der Film auch auf, sich von diesem Scheiß nicht runterziehen zu lassen. Er gehört zum Leben dazu, es ist halt nicht immer alles Ponyhof. Solltet ihr euch diese Dokumentation ansehen wollen, vergesst am besten erstens nicht die Taschentücher und hört und schaut am besten zweitens bei den älteren Mariachi-Damen genauer hin. Die haben Spässkes und nehmen sich selbst nicht allzu wichtig.



Dokumentation Nummer 2: Searching for Sugar Man. Eine völlig absurde, verrückte Geschichte eines Stars, der jahrzehntelang überhaupt nicht wusste, dass er einer ist. Was auch daran liegt, dass er ein bescheidenes, recht zurückgezogenes Leben in Detroit führt, während ihn weit, weit weg in Südafrika zu Zeiten der Apartheid die Menschen quasi als den heiligen Messias feiern und verehren. Sie spielen sein Album rauf und runter, gründen Bands nach seinem Vorbild und betreiben fasziniert Recherche, denn die einzige Information, die sie über diesen Menschen haben, ist sein ungewöhnlicher Vorname und dieses eine Album. Es entsteht ein regelrechter Hype um ihn. In dem Glauben, er sei in Amerika DER Superstar schlechthin. Und der Star selbst? Geht jeden Morgen im düsteren Detroit im schicken Anzug samt Einstecktuch zur Arbeit. Er schwingt dort den Vorschlaghammer und reißt Häuser ein, um seine kleine Familie über Wasser zu halten. Seine Kollegen amüsieren sich über ihn und seine Aufmachung, zeigen sich aber genausogut beeindruckt von seiner Einstellung zum Leben. Der Mann heißt Sixto Rodriguez und haut mich wirklich von den Socken - was seine Persönlichkeit und wirklich ganz besonders seine Musik angeht. Er ist Bob Dylan in der Version 2.0. Selbst wenn ihr nicht so sehr auf Dokumentationen über eigenwillige alte Männer mit Gitarre, Schlapphut und Sonnenbrille steht: allein die Musik in diesem Film sollte Grund genug sein, ihn sich zu Gemüte zu führen. Kaum zu fassen, dass das nicht WAHNSINNIG groß geworden ist! Ich geh am Stock... Echt. Eine kleine Kostprobe einmal hier mit dem Titelsong Sugar Man, einmal hier mit Crucify your Mind uuund dann noch einmal hier mit I wonder. Und wie toll es ist, dass manche Leute so hartnäckig am Ball bleiben, dass am Ende so etwas Großartiges wie dieser Film und die ergreifenden Konzerte von Rodriguez in Südafrika dabei entstehen. Und wie bescheiden, friedfertig und scheu dieser Mensch ist. Leider kommt in dem Trailer nicht so recht rüber, wie surreal und auch wirklich lustig diese Doku daherkommt. Es macht einen Riesenspaß, sie sich anzusehen. Das hätte ich vorher nicht erwartet. Franzose kannte sich aber wohl aus und bestand darauf, dass ich mich zu ihm auf die Couch setze und mitschaue. Zum Glück habe ich das getan.

Lobeshymne beendet. Ein Film, auf den ich mich außerdem seit Ewigkeiten wie Bolle freue, weil er hier geduldig in seiner DVD-Hülle auf uns wartet und solange einfach nur daliegt und hübsch aussieht, ist Stories We Tell. Mit großer, großer Wahrscheinlichkeit so wunderbar und schrecklich bewegend, dass auch da wieder eine Familienpackung Taschentücher bereitgelegt werden sollte. Manmanman.


Was gelernt?
Das Schreiben hat mir gefehlt. 
Und jetzt kümmern wir uns um das verdammte Walnuss-Bier-Brot, die Himbeermuffins mit weißer Schokolade und diese fabelhaft duftende Tajine von Franzose mit Aprikose, Mandel, Süßkartoffel, Kürbis, Zimt und Hühnchen!

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